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Begriff Despot/Despotie

Despot/Despotie

  • Version 1.0
  • Veröffentlicht 27. April 2022

Zum Wort

Das Wort ‘Despot’ leitet sich aus dem Griechischen δεσπότης (despotēs) ab und bezeichnet wörtlich denjenigen, der im Haus herrscht, den Hausherren. Erst im philosophischen Diskurs des 17. Und 18. Jahrhunderts findet sich eine systematische Verwendung des Begriffs Despotie für eine gewaltsame, willkürliche, also keinem Recht, sondern einem Herrscher, dem Despoten, verpflichtete Regierungsform. (JW)

Diskurse und Kontexte

1. Der aristotelische Diskurs

Im aristotelischen Diskurs bezeichnet Despot (δεσπότης/despótēs) denjenigen, der in seinem Haus die Herrenherrschaft (despotiké arché) ausübt. In der Politica stellt Aristoteles diese naturrechtliche und damit vorpolitische Form der Herrschaft sechs politischen Verfassungsformen gegenüber. „Denn es gibt eine naturgemäße despotische Herrschaft und eine königliche wie auch einen Verfassungsstaat, und diese sind gerecht und zuträglich“ (ARISTOTELES 2003, Buch III, 1287b 38–39). Der Begriff erhält eine kritische Wendung bei Aristoteles nur in einer Hinsicht: das Auftreten hausherrschaftlicher Herrschaftsmodi im Bereich des Politischen – bestimmt bei Aristoteles als der Bereich der Verfasstheit von Herrschaft unter Gleichen – erscheint hier generell als illegitime Übertragung der Sphäre des Hausorganisation auf die der Polis.

Quelle
  • ARISTOTELES. Politik (Übersetzt von Franz Susemihl). Reinbeck bei Hamburg 2003.

2. Der spätmittelalterliche Diskurs der Regierungskritik

Der spätmittelalterliche Diskurs der Regierungskritik verwischt die Trennung der häuslichen von der politischen Ebene. Despotische Herrschaft wird so im Aristoteles Kommentar von THOMAS VON AQUIN eine von vier möglichen Herrschaftsformen (2015, 64f). Auch der Schüler Thomas‘, PTOLOMEUS DA LUCCA, setzt diese Verschiebung des kategorialen Oberbegriffs von den politischen Machtformen bei Aristoteles, derer die Despotie explizit nicht Teil ist, zu Formen der Herrschaft, derer die Despotie eine ist, fort. Bei ihm findet sich auch die „Assoziation des Despotischen mit einem Regieren ‚mit harter Hand“ (KOGGE und WILHELMI 2019, 324; siehe auch PTOLOMEUS DA LUCCA 1954, Liber II, Caput 8). In seiner Papstkritik spricht MARSILIUS VON PADUA dann als erster von einem „despotischen Gesetz“ (legis despociam) (1958, 82) und kritisiert mit dieser Wendung die „keine Gewalttat scheuende Macht der römischen Bischöfe“ (ebd. 249). Seinen Abschluss findet diese „Transformation der aristotelischen Systematik“ (KOGGE und WILHELMI 2019), 326) bei WILHELM VON OCKHAM. Er unterscheidet drei königliche Herrschaftsformen, Königtum, Despotie und Tyrannis. „Wenn er […] über Menschen zu herrschen beginnt, die das nicht wollen wird er zum Tyrannen. Wenn er um sein eigenes Wohl willen über Menschen herrscht, die das wollen, wird er zum Despoten im eigentlichen Sinne des Worts.“ (1992, 157 f.).

Quellen
  • KOGGE, Werner und WILHELMI, Lisa. Despot und (orientalische) Despotie – Brüche im Konzept von Aristoteles bis Montesqiue. In: Saeculum 69/II (2019), 305–341.
  • MARSILIUS VON PADUA. Der Verteidiger des Friedens 1 (Übersetzt von Walter Kunzmann und Horst Kusch). Berlin 1958.
  • PTOLOMEUS DA LUCCA. Continuatio S. Thomae De regno, Textum Taurini. In: Alarcón, Enrique (Hrsg.). Corpus Thomasticum. 1954. http://www.corpusthomisticum.org/xrp.html (Besucht am 1. Juli 2021).
  • THOMAS VON AQUIN. Kommentar zur Politik des Aristoteles. Sententia libri Politicorum, 1 (Übersetzung von Anselm Spindler). Freiburg 2015.
  • WILHELM VON OCKHAM. Dialogus: Auszüge zur politischen Theorie. Darmstadt 1992.

3. Der Diskurs um patriarchalisches Regieren in der frühneuzeitlichen politischen Philosophie

Auch der Diskurs um patriarchalisches Regieren in der frühneuzeitlichen politischen Philosophie geht auf die Politica von Aristoteles zurück. Zum ersten Mal wird dabei auf eine französische und nicht mehr auf eine lateinische Übersetzung zurückgegriffen. Dabei wird das Adjektiv despotikos mit seigneuriale übersetzt und bereitet so eine veränderte Begriffsverwendung vor. Jean BODIN fasst dann die „despotische Monokratie“ (Monarchie seigneuriale) (1576, Livre 2, Chapitre 2) als historische Vorstufe der legitimen Monarchie (Monarchie royale) und nicht mehr als der Ebene nach von ihr getrennte. Diese begriffliche Evolution setzt sich durch eine Übersetzung ins Englische fort. Thomas HOBBES führt den Begriff despotical in die Debatte ein und bezeichnet damit eine Form der Unterwerfung, die gegen eine Invasion von außen durch eine ausreichende Zahl an Untertanen geschützt ist (1889, Chapter 22). In seiner Rezeption von Thomas Hobbes ist es Robert FILMER, der bei der Systematisierung verschiedener Monarchien, der paternal monarchy, der elective monarchy und der despotick and absolute tyranny, die Begriffe despotisch und Tyrannei in einen engen Zusammenhang bringt; ähnlich John LOCKE, der despotical power als die unumschränkte Macht eines Menschen über einen anderen definiert (1824, Chapter 15 § 172).

Quellen
  • BODIN, Jean. Les Six Livres de la République, Paris 1576.
  • FILMER, Robert. Patriarcha, or, The Natural Power of Kings, London 1685.
  • HOBBES, Thomas. The Elements of Law, Natural and Police, London 1889.
  • LOCKE, John. The Works of John Locke in Nine Volumes, 2, London 1824.

4. Die diskursbestimmende Begriffsprägung durch Montesquieu

Durch die diskursbestimmende Begriffsprägung durch MONTESQUIEU erhält der Begriff seine eigenständige Bedeutung, die er noch heute hat. MONTESQUIEU bezeichnet in Vom Geist der Gesetze mit dem Begriff der despotischen Regierungsform (gouvernement despotique) den systematischen Widerpart moderater Regierungsformen. Despotie bezeichnet demnach die Gewaltherrschaft einer absoluten Monarchie (siehe 1965, 11. Buch, 6. Kapitel).

Quelle
  • MONTESQUIEU, Charles de Secondat. Vom Geist der Gesetze. Stuttgart 1965.

Literatur zum Begriff

  • KOEBNER, Richard. Despot and Despotism: Vicissitudes of a Political Term, In: Journal of the Warburg and Courtald Institutes, 14 (1951), 275–302.
  • KOGGE, Werner und WILHELMI, Lisa. Despot und (orientalische) Despotie – Brüche im Konzept von Aristoteles bis Montesqiue. In: Saeculum 69/II (2019), 305–341.

Zitiervorschlag

Werner Kogge, Lisa Wilhelmi, Janis Walter, „Despot/Despotie“, Version 1.0, 27.04.2022, ORGANON terminology toolbox, Berlin: eDoc-Server der Freien Universität Berlin.
  • ORGANON terminology toolbox (von gr. ὄργανον: Werkzeug) ist ein Instrument zur Orientierung in der Landschaft interdisziplinär relevanter Begriffe und Theorien. Mit wenigen Blicken finden Sie hier einen Überblick über relevante Diskurse, Grundlagentexte und weiterführende Links.

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